DBU Skulpturenprojekt

Der Dom besitzt auch heute noch einen großen Teil seiner originären mittelalterlichen Ausstattung. Dazu gehören 14 Steinskulpturen der Apostel sowie der Dompatrone Stephanus und Sixtus vor den Pfeilern des Hochchores. Während man den Chor bereits 1401 weihte, wird die Entstehung der Skulpturen bislang in einem vergleichsweise langen Zeitraum zwischen 1425 bis ca. 1475 angenommen.

Im Rahmen eines 2014 durchgeführten studentischen Praxisseminars in Kooperation der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt mit der Fachhochschule Potsdam, der Technischen Hochschule Köln und der Diplomrestauratorin Corinna Grimm-Remus erfolgte erstmals eine fachliche Bewertung der Erhaltungszustände einiger dieser Skulpturen. Hierbei erwies sich insbesondere der Zustand der Farbfassungen mit unterschiedlichen Schadensbildern als dramatisch. An allen Skulpturen war die Fassung massiv gefährdet. Aus diesem Grund bestand dringender Handlungsbedarf. Ein Projektantrag durch die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) wurde positiv beschieden, sodass die ersten Arbeiten unter dem Projekttitel „Praxisorientierte Vorversuche sowie Notsicherungen zur modellhaften Fassungssicherung mit Hilfe einer ›Facing-Technologie‹ stark umweltgeschädigter, unrestaurierter, mittelalterlicher Steinskulpturen im Halberstädter Dom“ Ende 2016 beginnen konnten. Kooperationspartner der Kulturstiftung sind hierbei: das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt (LDA, Abt. Bau- und Kunstdenkmalpflege), die Dipl.-Rest. Corinna Grimm-Remus und das Institut für Diagnostik und Konservierung an Denkmalen in Sachsen und Sachsen-Anhalt e. V. (IDK).

Im Rahmen des noch andauernden vierjährigen DBU-Forschungsprojekts bestand nun die Möglichkeit, den bislang schwer zugänglichen und weitgehend unerforschten spätmittelalterlichen Skulpturenschatz substanziell zu erforschen, konservatorische Sicherungen am akut gefährdeten Fassungsbestand der Standbilder zu realisieren und sich zugleich den aufgeworfenen Fragestellungen zu widmen.

Als Schadensbilder an den Skulpturen wurden u.a. das Ablösen größerer Fassungsbereiche vom Steinuntergrund, Partien mit Fassungsverlusten, Entfestigung der Fassung durch Bindemittelverlust und massive Schmutzauflagerungen festgestellt. Es wurde untersucht, warum die Schäden so massiv sind bzw. wie das genaue Schadensursachenmodell zu erklären ist. Hierzu erfolgten u.a. klimatische und mikrobiologische Untersuchungen. Zudem wurden Gesteins- und Materialuntersuchungen durchgeführt. Erkenntnisse zur Verwendung von Gips im Bereich der Farbfassung in Verbindung mit Witterungseinflüssen nach dem 2. Weltkrieg konnten als Erklärung für den heute dramatischen Zustand herangezogen werden.

Ein besonderer Anspruch an die durchzuführende Notsicherung ergab sich aus dem äußerst fragilen Zustand der Farbfassung. Dem Bindemittelabbau, bei äußerst geringer Fassungsdicke kombiniert mit massiven Schmutzauflagen, war als besondere Herausforderung zu begegnen. Es wurden innovative Festigungs- und Reinigungsmethoden ermittelt, die ein fast berührungsloses Arbeiten ermöglichen.Hier stand vor allem aber die Frage eines „Facings“ im Mittelpunkt, d. h. es war eine Schutzschicht zu finden, die eine Fassungsfestigung und „Replatzierung“ erlaubt, aber den Verlust der Fassung durch direkte Berührung verhindert. Dieses „Facing“ wurde mit einer sog. Habotai Seide gefunden. Als geeignetes Festigungsmittel wurde in mehreren Versuchsreihen Störleim ermittelt.

Vor der eigentlichen konservatorischen Sicherung der Farbfassung muss durch die Restauratoren eine aufwendige Reinigung der Oberflächen mittels Lasertechnik erfolgen.

Im Rahmen der einzelnen Arbeitsschritte flossen studentische Arbeiten ein, die durch die FH Potsdam und die TH Köln sowie Dipl.-Rest. Grimm-Remus und das IDK betreut wurden.

Als weiterer innovativer Aspekt des Projekts wurden in Kooperation mit der Bauhausuniversität Weimar und der Firma Intel 3D- Modelle der Skulpturen erstellt. Diese Dokumentationsunterlagen sollen Oberflächenphänomene erfassen, darstellen und langfristig auch zur Zustandsüberwachung der wertvollen Objekte dienen.

Gegenwärtig wird das erstellte Notsicherungskonzept bis Dezember 2020 praktisch umgesetzt.

 

 

 

Apostelskulptur vor und nach der Restaurierung